Sammler im Dienste des Fußballgotts (aus Münsterländische Volkszeitung vom 23. Dezember 2006)

Von Dirk Möllers


Rheine  Sammeln und Jagen gehörten schon zehntausend Jahre vor Christi Geburt zur menschlichen Natur. Tief in uns schlummern beide Instinkte bis heute, mehr oder weniger. Manchmal schrullig bis skurril, manchmal pedantisch bis ins kleinste Detail über Menschen und ihre speziellen Ticks lassen sich wunderbare Geschichten erzählen.

Wenn sich Uwe Hilge in seine wild gemusterte Polstergarnitur mit Klimbim-Flair fallen lässt, atmet der Raum unterm Dach förmlich das Flair der siebziger Jahre. Der 36-jährige Rheinenser macht kein großes Aufhebens um seine Leidenschaft. Doch in diversen Kartons, Schubladen und Aktenordnern ruhen sorgsam gehütete Schätze der Fußball-Historie. So zum Beispiel das original Stadionheft zum Endspiel um die Deutsche Meisterschaft in Berlin. Werner Kohlmeyer, Fiffi Gerritzen, Fritz Walter und Adi Preißler sind auf dem Titelblatt zu sehen, Vertreter der Endspielmannschaften 1. FC Kaiserslautern und Preußen Münster. Das gehörte meinem Vater und ich habe es irgendwann entdeckt, hütet Hilge den Fundus mit Argusaugen. Der Arbeiter beim Wasser- und Schifffahrtsamt Rheine ist keiner von diesen Freaks, die für eine Eintrittskarte eines malischen Zweitligaspiels per Anhalter nach Timbuktu fahren würde. Da ich in einem sehr fußballbegeisterten Umfeld lebe, bekomme ich viele Karten mitgebracht, wächst seine Sammlung durch Unterstützung von außen.

Dabei ist Hilge bei weitem kein bloßer Sesselfan, der niemals den Schmerz eines ehrlichen Luftkampf-Zusammenpralls erleben durfte. Der beinharte Defensivspezialist erlernte das Fußball-ABC beim großen Fiete Schmidt, der ihn in der A-Jugend beim VfB Rheine trainierte. Jetzt klingt seine aktive Zeit langsam aus, als Trainer der FCE-Vierten bleibt der C-Lizenz-Inhaber aber dem Sport verbunden.

Andere sammeln eben Briefmarken, murmelt Hilge beim Blick über die Unmengen alter VfB-Stadionhefte, die sorgfältig in Plastikhüllen abgeheftet sind. Im Vergleich zur heutigen FCE-Ausgabe habe ihm der Klassiker besser gefallen. Weniger Werbung, mehr Information, lautet das trockene Urteil. Er muss es wissen, immerhin türmen sich im Dachzimmer die Ausgaben fast sämtlicher Bundesligisten. Tasmania Berlin habe ich auch irgendwo, sucht der Sammelfreund das Druckwerk des statistisch schlechtesten Bundesligisten aller Zeiten. VfB Zittau, Motor Suhl, Wismut Aue, FC Homburg, Stuttgarter Kickers, TSG Dülmen ein geografisches Kalaidoskop der Republik bietet die Mischung an Stadionheften. Ob es 5000 oder 10000 Exemplare sind? Hilge zuckt mit den Schultern: Ich habe sie nie gezählt. Einen ebenso stattlichen Teil der Sammlung machen Eintrittskarten aus. Teilweise abgerissen, teilweise nicht. Denn Hilge schrieb verschiedene Vereine mit der Bitte an, ihm nachträglich unbenutzte Karten zuzuschicken. Den unbestritten größten Teil der ausstellungsreifen Sammlung beansprucht aber Borussia Dortmund. Hilges Herz ist an Schwarz-Gelb vergeben und natürlich an Freundin Claudia, mit der er in Kürze Nachwuchs erwartet.

Das war herrlicher Fußball, der mir besser gefiel als der von heute, erinnert er sich an die Gründerjahre des Westfalenstadions und die frühen Achtziger. Mit dem VfL Bochum gewannen damals Ata Lameck, Lothar Woelk, Jupp Tenhagen und Heinz Knüwe 3:1 in Dortmund Hilges erstes Heimspiel begann prägend. Borussen-Fans müssen leiden können. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Um sich in seltenen Stunden vom Fußball abzulenken, geht Uwe Hilge angeln. So verbrachte er manche Sommernacht an Ems oder Kanal. Aale und Zander beißen nachts besser, weiß der Petrijünger. Da würde Horst Hrubesch zustimmen.